Die Yoga Wechselatmung: Wirkung und Anleitung (Nadi Shodhana)

By Marita Matzk | Yoga Tutorials

Ich stöhne:

Wo ist sie nur?

Ich komme mir vor wie Monsieur Collignon im Film Die fabelhafte Welt der Amélie - an dem Morgen, an dem Amélie ihm heimlich den Wecker verstellt und die Pantoffeln vertauscht: Gegen die gleichen, nur eine Größe kleiner. Und im Zahnpastaglas steckt die Fußcreme...

Ich bin spät dran, und die Zahnbürste?
Verschollen.
Vielleicht habe ich sie im Schlafzimmer abgelegt, als ich da schnell die Klamotten zusammengekramt habe?
Mal grade nachsehen...
Nö.

Zurückgehetzt ins Bad, dann eben schonmal Deo draufmachen, Strumpfhose anziehen, hoffentlich schaffe ich den Bus noch - ist eigentlich dieser Pickel von gestern noch da?

Ich schaue in den Spiegel - und haue mir die flache Hand an die Stirn.

Nee. Echt jetzt?

Die Zahnbürste... steckt in meinem Mund.

Solche Morgen-Szenarien kenne ich nur zu gut!
Du auch?
Wenn man Kinder hat, wird es noch interessanter: Dann gerät die Regenhose vom Kleinen in den Beutel der Großen - und die Schule ruft an, weil der Irgendwas-Bestätigungszettel vom ganz Großen fehlt.

Ich fühle mich wie ein vergessliches Eichhörnchen, das seine Nüsse überall verstreut hat – in der Tasche, in der Küche, im Bad... Nur nicht da, wo sie hingehören. Klar, das Frühstück ist natürlich auch noch nicht gemacht, der Laptop lässt sich nicht mehr hochfahren, und dann noch der Regen! Der plötzlich anfängt, wie aus dem Nichts.

Beruhigenderweise gab es verpeilte - oder müde - Menschen schon immer, und so enthält die tausende Jahre alte Yogatradition ein paar Schmankerl, die uns Dauergestressten und -verpeilten ein bisschen mehr Klarheit in den Morgen bringt.
(Und den immer gut Organisierten unter euch NOCH mehr Klarheit, Fokus und Entspannung.😉)

Zum Beispiel:

Die Wechselatmung.

Die Übung wirkt wunderbar konzentrationsfördernd und ausgleichend.
In manchen Yogastunden wird sie mit einem rigiden Schema von Zählzeiten und vom Lehrer vorgegebenen Atemzeiten angesagt - bei vielen führt das zu innerer Anspannung oder sogar Atemnot.
Das muss aber nicht sein!

Meine youtube Videos (s.u.) zeigt dir eine entspannte, aber wirkungsvolle Variante der Wechselatmung. Nimm dir 10 Minuten und probier es gleich einmal aus!

Alternativ beschreibe ich dir die Übung ausführlich weiter unten.

Und nocht ein weiteres Video verlinke ich dir - hier kannst du die Wechselatmung in Kombination mit einer kurzen Meditation am Meer durchführen:

Die Yoga Wechselatmung: Ausführung

Die Wechselatmung geht einfach:

Man schließt das rechte Nasenloch, atmet tief ein durch das linke, hält den Atem für einen Moment an, schließt dann das linke Nasenloch, öffnet das rechte und atmet aus. Dann atmet man durch das rechte Nasenloch wieder ein, hält den Atem und wechselt die Seite.

Also:

  • rechts ein
  • links aus, und wieder ein
  • rechts aus, und wieder ein
  • links aus, und wieder ein...

...und so weiter. Mach das für mindestens 10 ganz lange, langsame Atemzüge. Alternativ kannst du dir einen Wecker auf 5 oder 10 Minuten stellen.

Wie schon erwähnt, gibt es andere Varianten mit strengen Zählzeiten. Für den Anfang brauchst du die aber nicht, es sei denn, sie machen es dir leichter (und nicht schwerer).  Du kannst z.B. beim Einatmen langsam bis 6 zählen, den Atem beim Seite wechseln 3 Zählzeiten anhalten und dann beim Ausatmen wieder langsam bis 6 zählen.


Für die Handhaltung gibt es zwei Varianten:

  1. Ich lege gern den Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand auf die Stirn, ein bisschen weiter als der Punkt zwischen den Augenbrauen (auf das sogenannte "Dritte Auge"). Dann schließe ich die Nasenflügel mit Daumen und Ringfinger und öffne immer die Seite, durch die ich gerade atme. 
  2. Alternativ kannst du den Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand einfach anwinkeln, alles andere bleibt wie beschrieben (wie im Foto oben).

Die Wechselatmung: Wirkung

Die Wirkung der Wechselatmung ist ein bisschen, als ob du einen flimmernden Vorhang zur Seite schiebst und plötzlich durch das Fenster die Landschaft draußen erkennst. Der Kopf ist weniger voll, weniger ständiges Rauschen. Ein bisschen mehr Fokus, ein bisschen weniger Gewusel.

Es ist nicht zu 100% geklärt, wie diese Atemübung wirkt. Aber diese Komponenten scheinen eine Rolle zu spielen:

1. Ausgleichende Wirkung auf die Gehirnaktivität:

- Untersuchungen zeigen eine Veränderung der Gehirnaktivität während der Wechselatmung.
- Nach der Übung ist die Aktivität in verschiedenen Gehirnbereichen ausgeglichener, während vor der Übung i.d.R. bestimmte Bereiche deutlich aktiver und andere inaktiver sind.

2. Verlangsamung des Atems und deren Auswirkungen:

- Des Atem zu veröangsamen, hat einen entspannenden Effekt auf den gesamten Organismus.
- Das vegetative Nervensystem wird beeinflusst: Der Parasympathikus (Regeneration) wird aktiviert, während der Sympathikus (Kampf-oder-Flucht-Reaktion) weniger aktiv wird.
- Ein verlangsamter Atem führt zudem einer besseren Balance zwischen Kohlendioxid und Sauerstoff im Blut. Dies ermöglicht eine effizientere Sauerstofffreisetzung im Körper. (Mehr dazu kannst du in James Nestors Buch "Breath - Atem" nachlesen.)

3. Generelle Wirkung der Nasenatmung:


- Die Wechselatmung übt und fördert die Nasenatmung (anstelle der Atmung durch den Mund), was laut James Nestors Buch "Breath" von großer Bedeutung ist.
- Auch im Pranayama, den alten Atemtechniken aus dem Yoga, wird die Atmung durch die Nase als überlegen hervorgehoben

- Dabei wird das Atmen durch das rechte Nasenloch mit der Aktivierung und Erwärmung des Körpers assoziiert.
- Atmen durch das linke Nasenloch wird dagegen mit Entspannung, Beruhigung und Abkühlung in Verbindung gebracht.
- Die Wechselatmung könnte demnach gezielt beide Effekte kombinieren und so ein Gleichgewicht schaffen.

Wenn ich nadi shodhana übe, merke ich, wie sich der Wirbelsturm in meinem Kopf beruhigt. Die Gedanken kommen langsamer, klarer, nicht mehr in 1000 Richtungen. Gleichzeitig fühle ich mich nicht abgestumpft oder gedämpft, sondern eher wach und leicht.

Entspannt.

Weniger verheddert.

Die Wechselatmung ist wie ein kleiner Neustart für den Geist. Der kleine Ruck, der den Computer wieder effizienter zum Laufen bringt – sanft, aber spürbar.

Die Wirkung ist subtil, aber deutlich. Du merkst, wie die Welt um dich herum auf einmal nicht mehr so chaotisch und überwältigend wirkt. Der Tag wird ein bisschen ruhiger, du ein bisschen gelassener. Und das Schöne? Du brauchst dafür nicht viel – nur ein paar Minuten und ein bisschen Geduld mit dir selbst.

In meinem Kopf ist das chaotische Eichhörnchen vom Fahrersitz auf die Rücksitzbank gerutscht, und ein ruhigerer, klarerer Morgen liegt vor mir. Und das, meine Freunde, fühlt sich ziemlich gut an.

Probier die Wechselatmung doch einmal aus und schreibe mir unten in den Kommentar, wie es dir damit ergeht!


Finde dein Räkel-Gefühl in allem, was du tust!
Marita


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About the Author

Marita ist Diplom-Choreografin & Strala Yoga Guide. Sie wurde als professionelle Tänzerin und Choreografin an der Palucca Hochschule für Tanz Dresden ausgebildet und unterrichtet seit 2009 als Haltungs-Coach und Yogalehrerin​. Dafür verbindet sie den locker bewegten Strala Yoga Stil mit Elementen anderer Methoden der Körperarbeit. Neben ihrem Leben als Bewegungs-Nerd ist Marita Fachfrau für SEO und Onlinemarketing mit mehrjähriger Agenturerfahrung. Sie liebt ihren Garten, Schwimmen in Naturgewässern, Zeichnen und Lesen.

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